Tide und Elbvertiefung
Bagger gegen Tide
Gebaggert wird seit dieser Woche - die Elbe wird zum neunten Mal vertieft. Bereits vor siebzehn Jahren wurde das Projekt angeschoben, in der Hoffnung in Hamburg bis zu 28 Millionen Container jährlich umzuschlagen.
Containerriesen mit 13,5 Meter Tiefgang sollen ab 2021 die Elbe bis nach Hamburg gezeitenunabhängig befahren können. Sogar bis zu 14,5 Tiefgang, wenn sie auf der Flutwelle elbaufwärts einlaufen. Sechs Stunden benötigen die Riesen von der Elbmündung bis in den Hamburger Hafen.
Immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel ist entscheidend. Aber auch nach oben muss heute schon so mancher Lotse gucken. Denn auch die Köhlbrandbrücke, die hoch über dem Hafen schwebt, ist jetzt schon nicht mehr hoch genug. Auch hier muss bei der Durchfahrt genau auf die Höhe der Gezeit geachtet werden. Und auch dann könnte so mancher Lotse versucht sein, den Kopf einzuziehen, so dicht ist die Hochbrücke über der Brücke der Containerriesen.
Der Tiefgang der Schiffe verändert sich aufgrund der Dichte von Salzwasser zu Süßwasser – ein Schiff sinkt ca. 30cm tiefer im Süßwasser im Hafengebiet ein, verglichen mit der Unterelbe. Auch diese Werte werden sich ändern, denn das salzige Meerwassser wird weiter elbaufwärts drängen. Wasser ist nun mal nicht gleich Wasser.
BUND, WWF, wahrscheinlich alle Anwohner und ganz sicher alle Elbfischer, halten die Elbvertiefung für falsch, da die ökologischen Folgen unabsehbar sind.
Es wird befürchtet, dass die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses zunehmen wird, die Auswirkungen der Gezeiten werden steigen. Der Tidenhub in der Elbe ist in den letzten 150 Jahren wiederholter Elbvertiefung von 1,50m (um 1850) auf heute 3,90m gestiegen.
Diese erneute Vertiefung soll aber nur einen zusätzlichen Tidenhub von 2cm bringen, wird in den Gutachten berechnet. Eigentlich bin ich ja eine Freundin von Berechnungen, aber bei bis zu 2,50m Vertiefung der Fahrrinne bin ich von nur 2 cm berechneten erhöhtem Hochwasser nicht überzeugt.
Sicherlich wurde alles vor Gericht diskutiert. Die Aufschüttungen an der Elbmündung sollen die Strömung verlangsamen. Aber Sediment hat nun mal die Tendenz schneller und effektiver mit der Wasserströmung transportiert zu werden als von Baggern.
42 Millionen m³ Elbeflussbett werden bewegt – das sind 20 Cheops-Pyramiden raus aus der Elbe und wieder rein bei der Elbmündung. Die Kosten von 800 Millionen Euro werden zu 2/3 vom Bund übernommen. Ist es ausgeschlossen, dass der ganze Schlick im Hamburger Hafen landet oder die Elbe in einer ruhigeren Windung versandet? Denn bei Flut drückt die Nordsee das Wasser schnell mit Sediment flussaufwärts.
Nicht nur die Fischpopulation könnte ganz zusammenbrechen, da langsam fließenden Uferbereiche zum Laichen verschwinden und der Sauerstoffgehalt aufgrund der ständigen Sedimentbewegungen in der Elbe sinkt. 2017 starben schon 100 Tonnen Fisch. Das Meerwasser wird auch weiter elbaufwärts die Elbe versalzen, die Elbdeiche werden durch die Bug-, Sog- und Heckwellen mehr beansprucht.
Die Apfelbauern im Alten Land machen sich Sorgen – und die Besucher des Fischmarktes könnten noch häufiger nasse Füße bekommen. Deiche müssen verstärkt, es muss kontinuierlich gebaggert werden. Lohnt sich das alles wirklich?
Trotz des steigenden Meeresspiegels, den Zufluss zur Stadt Hamburg zu vertiefen, ist schon sportlich. Sturmfluten drücken jetzt schon länger aus der Deutschen Bucht in die Elbe. Oder kommt dann als nächstes ein Elbesperrwerk?
Beruhigend ist es nicht, aber genauso wie man die Elbe ausbaggern kann, kann man sie auch wieder zuschütten.
Zum Weiterlesen:
https://www.hafen-hamburg.de/de
https://www.hafen-hamburg.de/de/gezeitenstrom-elbe
www.stiftung-lebensraum-elbe.de
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/hafen/verstehen/hafenelbvertiefung2_page-2.html
https://www.ndr.de/nachrichten/So-tief-soll-die-Elbe-werden,minuten1662.html
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/hafen/verstehen/hafenelbvertiefung2_page-1.html
https://www.lz.de/ueberregional/wirtschaft?em_cnt=22515663
Ganz schön viel los, wer mal Schiffe auf der Elbe gucken will: